Aktuelles
Wasserkrafterlass Baden-Württemberg 2018
Kommentierung des Wasserkrafterlasses für Baden-Württemberg vom 25.07.2018
Von unserer Landesregierung werden die Gleichwertigkeit der Energieerzeugung aus Wasserkraft und dabei die Beachtung der ökologischen Belange als Prämissen ihres Handelns stets zum Ausdruck gebracht und finden sich dabei beginnend im Wassergesetz und weiterführend in ihren Verwaltungsakten wieder.
Vor diesem Hintergrund ist es erfreulich, dass der Duktus des am 25.07.2018 veröffentlichten Wasserkrafterlasses sich gegenüber dem ursprünglichen zur Diskussion gestellten Entwurfs wesentlich versachlichte. Dies kommt u. a. in Tz 3 bei der Aufzählung mit dem Hinweis auf die komplexen Bestimmungen zur Berücksichtigung der ökologischen Belange zum Ausdruck mit der weiteren Bemerkung, dass darüber hinaus die Auswirkungen der Wasserkraft auf die folgenden Aspekte zu prüfen wären:
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Auswirkung auf den Klimaschutz (§ 24 WG),
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Beitrag zur Ressourcenschonung,
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Anteil an der dezentralen Energieerzeugung (IEKK) und
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Beitrag zu lokalen Zielen der Energiewende.
Einen wesentlichen Raum nehmen in dem Wasserkrafterlass die Aussagen zur Durchgängigkeit oberirdischer Gewässer und Mindestwasserführung ein.
Anforderungen an die Durchgängigkeit
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Durchgängigkeit für Tiere beim Auf- und Abstieg. Ebenso des Sediments als hydromorphologische Komponente.
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Festlegung der Zielfischarten nach denen sich die Bemessung der Wanderwege auszurichten hat, dabei können für den Aufstieg und Abstieg unterschiedliche Zielfischarten relevant sein. "Es ist davon auszugehen, dass die aufwärtsgerichtete Durchgängigkeit für aquatische Wirbellose (Makrozoobenthos) gewährleistet ist, wenn die Anforderungen für schwimmschwache, bodenorientiert wandernde Fischarten erfüllt sind."
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Schaffung der Auffindbarkeit der Fischaufstiegsanlagen durch ausreichende Lockströmung.
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Bestimmung der Zielfischarten durch die Fischereibehörde anhand von Referenzfischzönosen, Ergebnissen abgeschlossenerer Fischbestandsuntersuchungen und eigenen Fachkenntnissen. Gewährleistung der Funktionsfähigkeit der Anlagen durch den Betreiber.
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Gestaltung nach den Vorgaben der LUBW Landesanstalt für Umwelt Baden-Württemberg (Mindestabflüsse in Ausleitungsstrecken, 2005; Mindestwasserführung, 2018) und der Deutschen Vereinigung für Wasserwirtschaft, Abwasser und Abfall (DWA M 509).
Anforderungen an die Mindestwasserführung
Die Festlegung der erforderlichen Mindestwasserführung erfolgt in einem zweistufigen Verfahren. im ersten Schritt werden standortbezogene Einstiegswerte für den Mindestabfluss aus hydrologischen Daten ermittelt. Diese Werte, die als Orientierungswert dienen und nicht mehr und nicht weniger darstellen sollen, sind in einem zweiten Schritt an Hand der örtlichen Gegebenheiten zu überprüfen und ggf. nach oben und nach unten anzupassen. Bei Bedarf können diese Abflüsse um einen dynamischen Anteil erhöht werden. maßgebend sind die örtlich für das Gewässer ermittelten Werte.
Für die örtliche Anpassung werden folgende Kriterien genannt:
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Durchgängigkeit in der Ausleitungsstrecke, auch an den pessimalen Schnellen, z. B. durch fachlich qualifizierte Überprüfung,
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ausreichende Leitströmung für die Auffindbarkeit der Ausleitungsstrecke,
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funktionsfähige Anlage zur Herstellung der Durchgängigkeit,
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Erhaltung bzw. Herstellung eines zusammenhängenden und funktionsfähigen Lebensraums,
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Wassergüte,
sowie einzelfallabhängig:
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hydrologische Besonderheiten, insbesondere bei Karstabflüssen,
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Zuflüsse in der Ausleitungsstrecke,
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Grundwasserhaushalt,
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Temperaturhaushalt,
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Ausleitungs- und Staulänge,
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Sohlstabilität.
Der anhand dieser Kriterien ermittelte Wert stellt den örtlich höher oder niedriger angepassten Mindestabfluss dar. Dieser angepasste Mindestabfluss ist in der Regel über das Jahr konstant. In Einzelfällen kann eine zuflussabhängige dynamische Erhöhung des örtlich angepassten Mindestabflusses aus ökologischen Gründen erforderlich sein.
Kontrolle / Überwachung
Erforderliche Untersuchungen und Kontrolleinrichtungen zur Mindestwasserabgabe sind i. d. R. vom Antragsteller zu veranlassen. Es wird ausdrücklich darauf hingewiesen, dass frühzeitig Art und Umfang der Untersuchungen und Kontrolleinrichtungen mit der unteren Wasserbehörde ggf. unter Beteiligung der unteren Naturschutzbehörde abgestimmt werden sollten. Sie können als Auflagen in die wasserrechtliche Genehmigung aufgenommen werden.
Die Einhaltung der Mindestabflüsse ist durch entsprechende Gestaltung, Betrieb und Unterhaltung der Bauwerke nachzuweisen. Geeignete Kontrolleinrichtungen sind vorzusehen. die Nachweis- und Dokumentationspflicht obliegt dem Betreiber.
Rahmenbedingungen
Ein Neubau einer Wasserkraftanlage an freifließenden Strecken wird vor dem Hintergrund der Bewirtschaftungspläne und Maßnahmenprogramme und im Hinblick auf den guten ökologischen Zustand/Potenzial nur in Ausnahmefällen zugelassen werden können.
Eine Zulassung der Wasserkraftnutzung kann vorrangig an bestehenden Querbauwerken ermöglicht werden, wo die Nutzung als emissionsfrei regenerative Energie in der Gesamtschau zu einem Positiveffekt führt.
Nach § 23 Abs. 2 WG sind Schwall und Sunk zu vermeiden; die Wasserbehörde kann auf Antrag Ausnahmen zulassen.
(Anmerkung: Aufgrund der zunehmend eingespeisten volatilen Energien wird zur Netzstabilisierung zukünftig vermehrt Regelenergie benötigt werden, die von bestimmten Wasserkraftanlagen geleistet werden kann.)
Umweltauflagen
Bei Neuerteilung oder der zulassungspflichtigen Erweiterung von Wasserkraftanlagen werden der Mindestabfluss und die Durchgängigkeit sowie die Reglungen zum Natur- und Fischartenschutz und zur Überwachung in der wasserrechtlichen Entscheidung entschädigungslos festgelegt.
Alte Rechte und alte Befugnisse können entschädigungslos durch nachträgliche Anforderungen und Maßnahmen im Rahmen des § 13 Abs. 2 WHG eingeschränkt werden. Dabei ist die Erforderlichkeit der Beschränkung im Hinblick auf den verfolgten Zweck und den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit in der Entscheidung darzulegen.
Antragstellung
Die Antragstellung zur Standortvorabklärung vor Durchführung des Rechtsverfahrens nimmt in dem Erlass einen weiten Raum ein. Diese Vorgehensweise, die von der IGW seit längerem vertreten wird, führt in der Regel zu einer kostengünstigen, schnelleren Beschleunigung des Verfahrens und ist damit verbindlich für die Behördenvertreter in dem Erlass verankert.
Resümee
Als Resümee dürfen wir einen positiven Schluss ziehen, vor allem im Hinblick darauf, dass sich in dem Wasserkrafterlass etliche Anregungen wiederfinden, die von Seiten des WBW und der IGW im Anhörungsverfahren eingebracht wurden.
Das Wasserhaushaltsgesetz gibt die Möglichkeit für bestimmte oberirdische Gewässer weniger strenge Bewirtschaftungsziele unter den dort genannten Bedingungen festzulegen. Ein Beispiel wäre die Frage zur Notwendigkeit der Schaffung der Durchgängigkeit bis zur Quelle unserer zahlreichen kleinen Gewässer. Hier wird in Limnologenkreisen durchaus die Meinung vertreten, dass diese kleinen Gewässer, die hauptsächlich in den Tälern des Schwarzwalds, der Schwäbischen Alb und dem Alpenvorland zu finden sind, schon immer von Natur aus meist nur eingeschränkt durchgängig waren. Diese Gebiete sind der Forellenregion mit dem Hauptfisch Forelle zuzuordnen, die ein weniger ausgeprägtes Wanderbedürfnis auszeichnet. Auch ist in vielen Fällen die Schaffung der Durchgängigkeit kontraproduktiv zum Schutz vor invasiven Neozoen (Beispiel: Amerikanische Flusskrebs).
Ein weiterer Aspekt warum bei der Verbesserung der Gewässerqualität, soweit die Wasserkraftanlagen tangiert werden, nicht nur die Möglichkeiten auf die Schaffung der Durchgängigkeit und die Mindestwasserabgabe reduziert werden sollten, ist die Beseitigung des in erheblichen Mengen in unseren Gewässern vorkommenden Zivilisationsmülls. Hier könnte bei der Schaffung von technischen Lösungen die Wasserkraft mit Unterstützung des Gesetzgebers einen wertvollen Beitrag leisten.
Vor diesem Hintergrund wird in der Anwendung des Wasserkrafterlasses noch weiterer Klärungsbedarf bestehen. Insbesondere weil hinsichtlich der ökologischen Belange, wie die Beispiele zeigen, noch nennenswerte Wissensdefizite und insoweit Forschungsbedarf bestehen. Deshalb geht unser Appell an die verantwortlichen Akteure, insoweit mit Vernunft und Augenmaß im Sinne der Gleichwertigkeit der nachhaltigen Energieerzeugung und der Beachtung der ökologischen Belange zu handeln, um nicht die Nutzung der bestehenden Energiepotenziale leichtfertig aufs Spiel zu setzen.