Aktuelles
Newsletter 1/2016
- Annäherungsversuch erfolgreich - „Wasserkraft in Südbaden“ bringt Verwaltung und Praxis zusammen
- Fachkongress „Wasserkraft in Südbaden – Ökologie und Genehmigungsverfahren / Fischabstieg“ am 29. Oktober 2015
Andreas Schmidt und Peter Steinbeck
Bei der diesjährigen Veranstaltung „Wasserkraft in Südbaden“ stand der Fokus einerseits auf der Darstellung von Interessenskonflikten zwischen Verwaltung und Praxis bei der Genehmigung neuer Wasserkraftanlagen und dem dabei schwelenden Konflikt zwischen Ökologie und dem Ausbau der Wasserkraft. Andererseits wollte der Kongress das bislang vernachlässigte, aber immer wichtiger werdende Thema „Fischabstieg bei Laufwasserkraftanlagen“ beleuchten. Beide Schwerpunkte brachten den mehr als 100 Kongressteilnehmern neue Erkenntnisse, spannende Informationen und eine gute Portion Verständnis für die jeweiligen Anliegen.
Die Veranstaltung in Häusern – initiiert von der IGW in Zusammenarbeit mit dem WBW, der Energiedienst AG und der Schluchseewerk AG - gab der Genehmigungsseite Gelegenheit, ihre Entscheidungskriterien und Maßstäbe zu erläutern. Gleichzeitig konnten Praktiker aus Deutschland und Österreich ihre Anliegen darlegen und Auswirkungen unterschiedlicher Behördenweisungen verdeutlichen.
Armin Stelzer vom Ministerium für Umwelt, Klima und Energiewirtschaft in Baden-Württemberg ging in seinem Vortrag auf die Verträglichkeit von Gewässerökologie und Wasserkraftnutzung ein. Aus Sicht des Landes ist der Ausbau der Wasserkraft politisch gewollt, dabei sind allerdings die ökologischen, naturschutzrechtlichen und wasserrechtlichen Rahmenbedingungen zu beachten. Von Teilnehmern aus den Genehmigungsbehörden wurde der deutliche Wunsch nach verbindlichen Vorgaben und Leitfäden der zuständigen Ministerien geäußert. Damit soll eine einheitliche Verwaltungs- und Genehmigungspraxis ermöglicht werden.
Anhand eines aktuellen Praxisbeispiels stellten Andreas Schmidt von der Schluchseewerk AG und Rechtsanwalt Dr. Bernd Schieferdecker das Genehmigungsmanagement für Wasserkraftanlagen im Kreuzfeuer der Interessen dar. Die unterschiedlichen Anliegen im Genehmigungsverfahren sind durch den persönlichen Kontakt aller Beteiligten und Betroffenen und die permanente Abstimmung mit den Entscheidungsträgern erfolgreich in der wasserrechtlichen Genehmigung zu bündeln. Der komplexe rechtliche Rahmen und dessen mögliche Auswirkungen auf das Genehmigungsverfahren rundeten den Vortrag ab.
Die Herausforderung besteht für den Umweltplaner Dr. Klaus-Jürgen Maier darin, die umweltfachlichen Standards für jeden zu genehmigenden Wasserkraftstandort zu hinterfragen und ggf. individuell für den Standort zu interpretieren. Dabei gibt es bei vielen Fachfragen aus Sicht des Gutachters noch Abstimmungs- und Forschungsbedarf.
Die Kriterien für ein erfolgreiches Genehmigungsverfahren in Österreich im Spannungsfeld „Genehmigungspraxis“ zeigte Gerd Frick von der Verbund AG auf. Neben einer ausreichenden Ressourcenausstattung der Behörden bestimmt auch in Österreich eine intensive und verbindliche fachliche Abstimmung im Vorfeld des eigentlichen Genehmigungsverfahrens maßgeblich die zeitliche Dauer und den Erfolg des Verfahrens.
Prof. Dr. Franz Nestmann vom Institut für Wasser und Gewässerentwicklung in Karlsruhe ging zum Einstieg in den Vortragsblock Fischabstieg auf die mit der Berücksichtigung der ökologischen Belange bei der Wasserkraftnutzung verbundenen großen ingenieurtechnischen Herausforderungen ein. An Beispielen wurden wissenschaftliche Begleituntersuchungen von unterschiedlichen Bauweisen für Anlagen zur Herstellung der Fischdurchgängigkeit angesprochen.
Hubert Wnuck vom Landesfischereiverband Baden-Württemberg stellte die Ergebnisse von Fischuntersuchungen am unteren Neckar vor. Der Vergleich von historischen Untersuchungen mit den Ergebnissen aktueller Fischbestandserhebungen zeigte deutlich die Veränderungen der Fischpopulation durch eine intensive Gewässernutzung und veränderte biologische Einflüsse.
Die Ausgangsbasis und Ergebnisse des Forum Fischschutz und Fischabstieg präsentierte Stephan Naumann vom Umweltbundesamt. Aus Sicht des Forums liegen zwar grundsätzliche Kenntnisse für Bau und Betrieb von Fischschutz- und Fischabstiegsanlagen vor, allerdings bestehen noch erhebliche Wissensdefizite und Forschungsbedarf. Das Forum plädiert trotzdem dafür, mögliche Maßnahmen zum Fischabstieg umzusetzen. Dies allerdings nur, wenn für alle Beteiligten die Rahmenbedingungen verbindlich festliegen. Insbesondere darf keine Spirale immer weiterer Nachbesserungen entstehen. Nach Ansicht von Stephan Naumann ist hier der „Mut zu Fehlern“ erforderlich.
Aus Sicht der Fachbehörde sind für Dr. Frank Hartmann vom Regierungspräsidium Karlsruhe die erforderlichen Instrumente und Technologien für die Umsetzung von Maßnahmen zum Fischschutz und Fischabstieg an kleinen und mittleren Wasserkraftanlagen gegeben. Auch er plädierte für deren Umsetzung und stellte Praxisbeispiele vor.
Lösungen für Fischschutz und Fischabstieg können für Rolf Hezel, Energiedienst AG, nur am jeweiligen Standort individuell betrachtet werden. Beides ist notwendig, die Art und Weise der Umsetzung kann aber sehr unterschiedlich sein. Dazu können bereits heute neue, innovative Technologien zum Einsatz kommen. Er sprach sich gegen Moratorien für neue Möglichkeiten des Fischabstiegs aus. Umgesetzte Praxisbeispiele rundeten den Vortrag ab.
Die fachkundige Moderation des ehemaligen Referatsleiters im Regierungspräsidium Freiburg, Georg Förster, sorgte für einen offenen, sachlichen Schlagabtausch, bei dem am Ende eines klar wurde: Naturschutz und Energiewende sind keine Gegensätze, es gilt jeweils, das persönliche Gespräch zu suchen und zu fördern, um einen vertretbaren Interessenabgleich zu erreichen. Denn die Behörde ist nicht Gegner der Wasserkraft, hat am Ende aber zu entscheiden, was aus ihrer Sicht im Einzelfall schwerer wiegt: der Klima- oder der Umweltschutz.
Der Kongress, der unter der Schirmherrschaft des Baden-Württembergischen Umweltministers MdL Franz Untersteller stattfand, überzeugte sowohl durch kompetente Referenten, als auch durch rege Diskussionen der Vortragenden mit dem Publikum.
Nach dem großen Zuspruch bei der Erstveranstaltung ist es den Veranstaltern auch diesmal gelungen, unterschiedlichste Anspruchsgruppen zusammenzuführen, um die Interessen der Wasserkraftnutzer einerseits und den Naturschutz andererseits auf einen gemeinsamen Nenner zu bringen, der die Nutzung der Wasserkraft erleichtert.
Das Publikum – vornehmlich Interessierte aus Behörden und Kleinwasserkraftbetreiber – konnte am Ende viel Fachwissen, zu erwartende Neuerungen in Sachen Fischabstieg, vor allem aber unzählige Praxisbeispiele mitnehmen, die künftig den gegenseitigen Umgang einerseits und jeweiligen Erwartungshorizont andererseits erleichtern dürften. Es bleibt zu hoffen, dass diese Veranstaltungsreihe fortgesetzt wird, denn kein anderes Format geht konkreter und direkter auf die wesentlichen Konflikte zwischen Betreiber und Behörde ein und belegt, dass der frühzeitige Dialog durch nichts zu ersetzen ist.